Von vielen Wegen, besser Lesen zu lernen

Am 08.September 2020 ist Welt-Alpha-Tag.

Freie Träger der Erwachsenenbildung zeigen, welch wichtigen Beitrag sie zur Verbesserung der Literalität in Thüringen leisten.

„Es kommen Schreiben vom Amt, die man nicht versteht. Das Lesen von Anzeigen und Anleitungen wird zur echten Herausforderung. Und ständig ist da die Angst, es könnte jemand merken, dass man längst nicht mehr ausreichend Lesen und Schreiben kann, um sich im Leben gut zurecht zu finden.“

Weil das zahlreichen Menschen in ganz unterschiedlichen Situationen so geht, wenden die freien Träger der Erwachsenenbildung viele Methoden an, um sie bei der Verbesserung ihrer Lese- und Schreibkenntnisse zu unterstützen.

Bildungsträger der Wirtschaft und der Landvolkbildung haben in Arnstadt, Erfurt und Sonneberg Lesecafés und Schreibwerkstätten eingerichtet. Dort gibt es in vertraulicher Atmosphäre Hilfe beim Lesen und Ausfüllen von Formularen und so wird es Stück für Stück möglich, verschüttete Kenntnisse zurückgewinnen und immer mehr und besser zu verstehen. Die Menschen gewinnen an Selbstvertrauen, wagen es zunehmend, beim Amt nachzufragen, wenn sie etwas nicht verstehen und darum zu bitten Formulare mit nach Hause nehmen zu können, statt gleich zu unterschreiben.

Es ist nicht leicht, Menschen mit Unterstützungsbedarf in die Schreibwerkstätten zu locken.  Doch hier zahlt sich aus, dass die freien Träger der Erwachsenenbildung viele Menschen bei der Integration in den Arbeitsmarkt unterstützen und sich dadurch Vertrauen aufbauen konnte. Es geht dabei darum, dass Teilnehmer*innen auch im Anschluss an Maßnahmen eine niederschwellige Art zu lernen finden. Es gibt in den Lesecafés weder Tests und noch Termine. Die Menschen können während der Öffnungszeiten kommen, wann sie möchten. Und so können sie wiederkommen und sich langsam öffnen und darüber reden, dass sie Schwierigkeiten beim Lesen und Schreiben haben. Sie können Mut fassen, sich ausprobieren und nehmen sich auch mal ein Buch in einfacher Sprache in die Hand. Dabei erhalten sie Beratung und Unterstützung.

Aber die freien Träger nutzen auch andere Wege um Menschen zu motivieren, an ihren Lese- und Schreibkenntnissen zu arbeiten.

Bildungsträger von Kirche und AWO gehen zum Beispiel in Kitas und unterstützen die Pädagog*innen, das Thema über Elternarbeit anzugehen. Hierfür haben sie verschiedene Ansätze entwickelt. Es wurden Leseecken eingerichtet, in denen die Kinder ihre Eltern zum Vorlesen animieren. Bücherrucksäcke wandern mit nach Hause, damit auch dort, wo das Lesen nicht üblich ist, Eltern die Gelegenheit haben, sich langsam den Texten zu nähern.  Denn die Motivation, die Kinder zu unterstützen, bietet auch Chancen für die Eltern. Sensibilisiertes Kita-Personal kann Probleme erkennen, die Eltern ermuntern und weiterführende Unterstützungsangebote empfehlen.

Um Sensibilisierung geht es auch beim Ansatz der gewerkschaftlichen Bildungsträger. Indem sich betriebliche Interessenvertreter*innen im Rahmen ihrer regulären Schulungen über das Thema austauschen, kann Unterstützungsarbeit im betrieblichen Kontext besser organisiert werden. Denn gerade am Arbeitsplatz gibt es viele Situationen, in denen es schwierig oder gar gefährlich ist, wenn man nicht ausreichend lesen und schreiben kann.  Deutlich wird das, wenn man an Arbeitsschutz oder den fortlaufenden Digitalisierungsprozess denkt. Betriebliche Interessenvertreter*innen können mit Mentor*innen vernetzen oder gar selbst zu Mentor*innen werden. Sie können Tandems mit Menschen bilden, die Hilfe benötigen bilden. Und sie können sich für einfache Sprache im Betrieb einsetzen.

Es gibt also viele Wege, um besser Lesen und Schreiben zu lernen. Die freien Träger der Erwachsenenbildung in Thüringen möchten sie nutzen, damit mehr Menschen in ihrem vertrauten Umfeld – ob Betrieb, Kita oder Gemeinde - Motivation und Selbstbewusstsein zum Lernen finden. So können sie aktiver am gesellschaftlichen Leben teilnehmen. Denn vieles fällt leichter, wenn man lesen und schreiben kann.