Wie im richtigen Leben. Bildungsgerechtigkeit in der Erwachsenenbildung

Was Hänschen nicht lernt, kann Hans auch noch später im Leben lernen. Dieser Satz ist im Prinzip richtig, denn unsere Lernfähigkeit bleibt uns bis ins hohe Alter erhalten. Noch nie zuvor gab es so viele Weiterbildungsmöglichkeiten wie jetzt und noch nie zuvor war es so notwendig, lebenslang zu lernen, um mit den Veränderungen der Zeit Schritt halten zu können. Aber gilt dieser Satz auch für die 75jährige Ingrid aus Hemleben, die mit der Mindestrente auskommen muss? Gilt er für Rasin, der aus seiner Heimat flüchten musste und in Deutschland ein neues Leben beginnen möchte? Und was ist mit Steffi, die in einer Behindertenwerkstatt arbeitet?

Am 28.10.2014 fand im Augustinerkloster zu Erfurt die Abschlussveranstaltung der LOFT-Kooperation zur Bildungsgerechtigkeit statt. Gerechte Bildungszugänge und -chancen in der Erwachsenenbildung bildeten in diesem Jahr einen Arbeitsschwerpunkt von LOFT. Gemeinsam mit dem DGB-Bildungswerk, der Katholischen Heimvolkshochschule St. Ursula, Arbeit und Leben, dem Paritätischen Bildungswerk, der AG Regionale Bildung und dem Diakonischen Bildungsinstitut Johannes Falk wurden eine Reihe von Veranstaltungen durchgeführt, die die unterschiedlichen Dimensionen von Bildungsgerechtigkeit aus der Perspektive der jeweiligen Träger beleuchteten.

Auf der Fachtagung spürten die TeilnehmerInnen nach, wie sich Zugangschancen verteilen und welchen Barrieren Menschen scheitern können, wenn sie sich weiterentwickeln möchten. Sie schlüpften dafür in unterschiedliche Rollen und kamen nur dann einen Schritt vorwärts, wenn sie eine Bildungschance wahrnehmen konnten. Am Ende standen einige ganz vorne, einige blieben zurück - wie im richtigen Leben eben.

Im Anschluss wurden die zentralen Thesen diskutiert, die sich aus der Weiterbildungspraxis und den Einzelveranstaltungen ergeben hatten. Dabei ging es um die Verwertbarkeit von Bildung, um das grundlegende Bildungsverständnis und den Bildungsauftrag der freien Träger. Es ging um Fragen der Barrierefreiheit und Inklusion von behinderten und anderen bildungsbenachteiligten Menschen, um die Anerkennung von Wissen, das informell erworben wurde und Menschen zu mehr Beteiligung verhelfen könnte. Schlussendlich ging es auch um das Recht, sich selbstbestimmt und ohne Einkommenseinbußen weiterzubilden, wie es ein Bildungsfreistellungsgesetz ermöglichen würde.

Bildungserträge dürfen sich nicht nur an der ökonomischen Verwertbarkeit orientieren, denn im Zentrum von Erwachsenenbildung steht der Mensch in all seinen Bezügen und über alle Lebensphasen hinweg. Einer Förderlogik, die sich ausschließlich an der ökonomischen Verwertbarkeit orientiert, werden die freien Träger daher nicht folgen können. Vielmehr müssen sie sich weiterhin reflexiv mit der eigenen Praxis auseinandersetzen und im Sinne von bildungsbenachteiligten Gruppen Barrieren abbauen und neue Zugangsmöglichkeiten schaffen. Dazu müssen aber auch durch eine ausreichende Finanzierung die Voraussetzungen geschaffen werden. Dann könnten auch Ingrid, Rasin oder Steffi ein Stück weiter kommen.

Bildungsgerechtigkeit in der Erwachsenenbildung