Die vierte Säule des Bildungssystems oder das fünfte Rad am Wagen?

Erstellt von Evelyn Sittig

Erstellt von Evelyn Sittig |

Die anerkannten Träger sind enttäuscht vom Entwurf der Landesregierung zur Novellierung des Erwachsenenbildungsgesetz

Die anerkannten freien Träger der Erwachsenenbildung sind enttäuscht vom neuen Thüringer Erwachsenenbildungsgesetz. Die Träger hatten große Hoffnungen in die anstehende Novellierung gesetzt. Schließlich hatten die Regierungsparteien im Koalitionsvertrag die Stärkung der Erwachsenenbildung als vierte Säule des Thüringer Bildungssystems versprochen.

Der vorliegende Gesetzesentwurf zeige nun, dass die Erwachsenenbildungspolitik weit davon entfernt ist, neben frühkindlicher Bildung, Schule und Hochschule die vierte Säule des Bildungssystems zu sein.

Zwar habe man mit einzelnen Änderungen die Herausforderungen der Zeit aufgenommen, beispielsweise in den Themenfeldern Bildungsberatung, Inklusion und Alphabetisierung, eine angemessene Finanzierung sei damit aber nicht verbunden. Vielmehr stehe eine bessere finanzielle Ausstattung  der Erwachsenenbildung weiter unter Haushaltsvorbehalt.

Das erzeugt bei den freien Trägern Unverständnis. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass es in der Begründung zur anstehenden Novellierung heißt: „Die wesentlichen Regelungen des Thüringer Erwachsenenbildungsgesetzes haben sich bewährt und sollen daher beibehalten werden“.

Als die Vorvorgängerregierung, deren Vertreter jetzt auf der Oppositionsbank sitzen,  im Jahre 2004 die Mittel für die Erwachsenenbildung halbierte, liefen vor allem die Parteien Sturm, welche  jetzt Regierungsverantwortung tragen. Was hat sich seither geändert? Nicht einmal die Hälfte dieser  Mittelkürzung ist seitdem aufgeholt.

2013 erreichte der Anteil der Erwachsenenbildung am Bildungshaushalt gerade mal  0,32 Prozent, obgleich sich nahezu 80 Prozent der Thüringer Bevölkerung im Erwachsenenalter befindet.

Die Erwachsenenbildung wird in Deutschland bereits seit 26 Jahren stark vernachlässigt.  Während die Fördermittel in den Bereichen frühkindliche Bildung, allgemeinbildende und berufsbildende Schulen sowie Hochschulen in den letzten 20 Jahren um bis zu 70 % gestiegen sind, verzeichnet die Erwachsenenbildung im gleichen Zeitraum einen Rückgang um rund 40 %, so die Einschätzung von Prof. Erich Schäfer vom Fachbereich Sozialwesen, Schwerpunkt Erwachsenenbildung  der Ernst-Abbe-Hochschule Jena.

Dabei zeigt uns der Blick auf die Gesellschaft, dass Erwachsenenbildung stärker denn je gebraucht wird. Die freien Träger der Erwachsenenbildung sind bereit und bieten das Potenzial, sich den Herausforderungen zu stellen. Aber sie brauchen eine gesicherte und angemessene Grundlage zur Finanzierung ihrer Arbeit.

Die Erwachsenenbildung vor der Zerreißprobe
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